Beschleunigungserlass im Gegenwind und weiteres Ungemach

Kommentar von Reto Hunziker, Vorstand Pro Wind Schaffhausen

Mit dem Beschleunigungserlass sollen die Rahmenbedingungen für einen effizienten Zubau von grossen Solar-, Wind- und Wasserkraftwerken – insbesondere bei den Bewilligungsverfahren – verbessert werden. Er ist somit eine wichtige Ergänzung zum Stromgesetz, das am 9. Juni 2024 deutlich angenommen wurde. Es wäre deshalb wichtig, dass das Parlament möglichst schnell ein mehrheitsfähiges Gesetz verabschiedet, welches nicht wegen einem Referendum zu scheitern droht. Kurz vor Weihnachten hat der Ständertat als Zweitrat die Vorlage zu Ende beraten.

Erleichterung bei Baubewilligungen für Windenergieanlagen

Ohne Gegenstimme angenommen wurde ein Einzelantrag von Ständerat Pascal Broulis (FDP, Waadt). Es geht hierbei darum, dass im Baugesuch nicht bereits ein genaues Anlagenmodell definiert werden muss. Die Plangenehmigung soll entsprechend typenunabhängig über die maximalen Parameter (Höhe, Rotordurchmesser, Schallleistung usw.) erfolgen. Nach rechtskräftiger Plangenehmigung kann dann ein Anlagenmodell gewählt werden, das die im Baugesuch definierten Anforderungen einhält. Denn heute ist es so, dass bereits beim Baugesuch festgelegt werden muss, welches Produkt und welches Modell eingesetzt werden soll. Bei langen Verfahren ist das Modell unter Umständen beim Bauentscheid gar nicht mehr lieferbar – oder bereits technisch überholt.

Rolle der Gemeinden

Hinsichtlich der Rolle der Gemeinden im Bewilligungsprozess hat der Ständerat gegenüber dem Nationalrat wieder einen Schritt zurück gemacht. Der Nationalrat verlangte, dass die Gemeinden weiterhin in den Bewilligungsprozess einbezogen werden, jedoch nicht mehr in jedem Fall abschliessend über die Ausbauprojekte von nationalem Interesse entscheiden können. Die kleine Kammer hingegen setzt die Zustimmung der Gemeinden voraus, sofern das kantonale Recht nichts anderes vorsieht. Immerhin machte Bundesrat Rösti im Ständerat klar, dass anderweitige Beschlüsse der Kantone nicht übersteuert werden.

Ersatzmassnahmen

Ausserdem sollen dem Bau von Energieanlagen zum Opfer fallende Schutzgebiete nicht mehr zwingend ersetzt werden müssen, bevor die Baubewilligung erteilt wird. Neu muss der Projektträger solche sogenannten Ersatzmassnahmen nur finanziell sicherstellen. Der Kanton entscheidet erst danach über deren Standort und deren Ausgestaltung. Doch diese Bestimmung schliesst über das Ziel hinaus. Denn es ist für die Akzeptanz von Projekten sehr wichtig, dass die Ersatzmassnahmen – zumindest in groben Zügen – frühzeitig festgelegt werden. Es ist zu hoffen, dass dieser Passus im Nationalrat im Rahmen der Differenzbereinigung nochmals angepasst wird.

Verbandsbeschwerderecht

Gemäss der kleinen Kammer soll das Verbandsbeschwerderecht bei den 16 Wasserkraftprojekten, die im Rahmen des Stromgesetzes angenommen wurden, nicht anwendbar sein. Bei der Abstimmung über das Stromgesetz hat es jedoch geheissen, dass die Beschwerdemöglichkeiten von Privaten und Verbänden bestehen bleiben. Entsprechend wurde dieser Entscheid scharf kritisiert. «Die Streichung des Verbandsbeschwerderechts widerspricht den Prinzipien eines Rechtsstaats», sagte Simon Stocker (SP). BirdLife Schweiz, Pro Natura und WWF Schweiz haben noch am gleichen Tag mit einer Medienmitteilung reagiert: «Die Entscheide des Ständerats bringen nun die Vorlage in massive Schieflage und untergraben deren Mehrheitsfähigkeit. Das Verbandsbeschwerderecht ist ein Eckpfeiler des Umweltrechts und zentral für die Einhaltung der Gewaltenteilung. Die beschlossene Einschränkung dieses Rechts ist unnötig, unvernünftig und nicht verhältnismässig.» Auch hier bleibt zu hoffen, dass der Nationalrat diesen Entscheid noch korrigieren wird.

Das Bundesamt für Energie hat kürzlich in einem Bericht aufgezeigt, dass das Ziel bei den erneuerbaren Energien für 2035 dramatisch verfehlt wird, wenn es im bisherigen Tempo weitergeht. Im letzten Jahr hat die Schweiz dreimal zu wenig erneuerbare Energie zugebaut. Auch vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, dass eine konsensfähige Vorlage möglichst schnell die Ziellinie passiert.

Verbandsbeschwerderecht: Neues Ungemach

«Freie Landschaft Schweiz» erhält das nationale Verbandsbeschwerderecht. Der Verein Freie Landschaft Schweiz gilt damit nun offiziell als Naturschutzorganisation. Eine Organisation, die sich einzig der Verhinderung der Windenergie verschrieben hat und dazu die Windenergieprojekte systematisch mit Einsprachen, Beschwerden und negativer Stimmungsmache eindeckt.

Olivier Waldvogel von Suisse Eole erklärt denn auch: «Der Verein hat aus Sicht der Windenergienutzung in der Schweiz bereits jetzt sehr viel Schaden angerichtet. Mit dem nationalen Beschwerderecht wird ihm nun ein weiteres Instrument zur Verhinderung der Windenergie – seinem wichtigsten Zweck – verliehen. Diese Tatsache wird nicht nur die Erreichung der Ziele der Energie- und Klimapolitik, die vom Volk mehrmals bestätigt wurden, zusätzlich stark gefährden, sondern auch die Arbeit anderer legitimer Umweltschutzorganisationen diskreditieren und nicht zuletzt dem Instrument des Beschwerderechts erheblichen Schaden zufügen.»

Aus Sicht von Suisse Eole sind die gesetzlichen Bestimmungen und Anforderungen zum Erhalt des Verbandsbeschwerderechts zu locker und unklar. Vereinfacht gesagt, muss ein Verein lediglich seine Statuten im Sinne des Naturschutzes formulieren und seit zehn Jahren existieren. Ob der Verein im Sinne seiner Statuten handelt, wird dabei weder überprüft noch hinterfragt. Die Aufnahme von Freie Landschaft Schweiz zeigt daher sehr gut auf, dass sich mit den geltenden Bestimmungen ein offensichtlicher Missbrauch des Verbandsbeschwerderechts bedauerlicherweise nicht verhindern lässt.

Quellen, nicht abschliessend:

Suisse Eole

aeesuisse

Die die Staumauer Spitallamm am Grimselsee in die Jahre gekommen ist, musste eine zweite Staumauer erstellt werden. Die neue Staumauer ist gleich hoch wie die alte, könnte aber nachträglich erhöht werden. Das Bild entstand im August 2024.