Offener Brief an den Gemeinderat von Hemishofen betreffend Rotmilan-Winterschlafplatz

Pro Wind Schaffhausen, 12. Dezember 2024

Sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte

Wir nehmen Stellung zur Medienmitteilung vom 5.12.2024 betreffend Rotmilan.

Sie schrieben unter anderem, dass der geplante Windpark Chroobach in Hemishofen einen grossen Rotmilan-Winterschlafplatz gefährden würde. Den Umweltverträglichkeitsbericht (UVB) bezeichnen Sie als mangelhaft: Der Rotmilan-Schlafplatz sei im Umweltverträglichkeitsbericht (UVB), den die Projektgemeinschaft erstellen liess, aus unbekannten Gründen nicht erfasst, obwohl er seit Jahren bekannt sei. Beide Behauptungen stimmen so nicht.

Umweltverträglichkeitsbericht zeigte keine Rotmilan-Massenschlafplätze auf

Die von der Projektgemeinschaft beauftragten Experten von der Firma Planstatt Senner haben die Situation der verschiedenen Vogelarten umfassend analysiert und in einem Bericht festgehalten. Die Untersuchungen wurden 2021 abgeschlossen. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte kein Rotmilan-Massenschlafplatz festgestellt werden. Beim jetzt nachgewiesenen Massenschlafplatz handelt es sich also um eine neue Entwicklung.

Haupttodesursache: Vergiftung und Abschuss

Durch Ihre Einsprache hat sich das Projekt massiv verzögert und verteuert. Rund zwei Millionen Franken haben bisher das städtische und das kantonale Elektrizitätswerk allein für die Vorarbeiten ausgegeben. Nicht zuletzt wegen dieser Verzögerung sind die Erhebungen für die Umweltverträglichkeitsprüfung inzwischen einige Jahre alt.

Gemäss Angaben der Schweizerischen Vogelwarte hat sich der Rotmilan bei uns in den letzten Jahrzehnten deutlich ausbreiten können. Der Rotmilan hat den Status «ganzjährig häufig» und gilt gemäss der Roten Liste als «nicht gefährdet». Gemäss den vorläufigen Ergebnissen des grossangelegten Forschungsprojekts LIFE-EUROKITE sterben in Europa etwa ein Drittel der Rotmilane infolge Vergiftung oder Abschuss. Weitere Todesursachen sind, in dieser Reihenfolge, gefressen werden, Stromschläge durch Stromleitungen, Strassenverkehr, Schienenverkehr, Krankheiten und Kollisionen mit Windturbinen. Selbst in der Schweiz, und das mag erstaunen, ist die häufigste menschengemachte Todesursache Vergiftung und Abschuss. Windturbinen sind also nicht die massgebliche Gefahr für den Rotmilan.

Genereller Mindestabstand wenig zielführend

Der von der Schweizerischen Vogelwarte empfohlene generelle Mindestabstand von fünf Kilometern zu den geplanten Windturbinen beruht auf einer Risikominimierung und ist deshalb zu statisch. Ausserdem ist die Situation mit den Winterschlafplätzen sehr volatil. Es ist sehr wohl möglich, dass bereits im nächsten Januar deutlich weniger Rotmilane in diesem Gebiet ihren Winterschlafplatz haben und nächstes Jahr gar keine mehr. Auch ist nicht bekannt, in welche Richtungen die Rotmilane ihre Schlafplätze anfliegen und wieder verlassen und so überhaupt Konflikte mit Windenergieanlagen entstehen können. Um dies zu klären, müsste eine fachkompetente Raumnutzungsanalyse durchgeführt werden. Nicht nur die horizontale Entfernung spiel eine Rolle, sondern auch die vertikale Entfernung sowie die örtlichen Gegebenheiten.

Der Naturschutzbund Deutschland NABU schreibt: «Insgesamt gesehen, gibt es somit viele Möglichkeiten einen Windpark so zu gestalten, dass er nicht zu einem Konflikt mit dem Rotmilan wird. Und gleichzeitig bedeutet die Anwesenheit eines Rotmilans nicht automatisch das Aus für eine Windparkplanung.» Und weiter: «Wir brauchen einen zügigen und naturverträglichen Ausbau der Windenergie. Naturschutz und Klimaschutz müssen gleichwertig berücksichtigt und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.»

Das deutsche Bundesamt für Naturschutz betont, dass Rotmilane vor allem durch den Verlust geeigneter Lebensräume bedroht sind. Eine der grössten Bedrohungen für die Artenvielfalt ist die Klimaerwärmung. Die Nutzung der Windkraft trägt dazu bei, fossile Energien durch erneuerbaren Strom zu ersetzen und somit den Ausstoss von Klimagasen zu reduzieren. Das hilft auch dem Artenschutz.

Vorgehen befremdet

Leider haben Sie es vorgezogen, mit dieser Angelegenheit direkt an die Presse zu gelangen. Der korrekte Weg wäre gewesen, den Kanton über den neuen Sachverhalt zu informieren. Denn dieser ist zuständig für die Prüfung des Baugesuchs mitsamt der UVP. Es ist auch nicht zielführend, mit Forderungen an die Projektgemeinschaft zu gelangen. Denn es obliegt dem Kanton als Bewilligungsbehörde, weitere Unterlagen oder Abklärungen einzufordern, eigene Untersuchungen anzustellen oder die Baubewilligung an zusätzliche Auflagen zu knüpfen. Es stellt sich für uns die Frage, ob es Ihnen wirklich primär um das Wohl der Rotmilane geht oder nicht vielmehr darum, das Projekt in ein schlechtes Licht zu rücken und der Projektträgerschaft «eins auszuwischen».

Grosses Potential an erneuerbarem Strom – besonders im Winter

Bei einer Gesamtbeurteilung darf aber keineswegs vergessen werden, dass der Ausbau der Windenergienutzung für die Stromversorgung von enormer Bedeutung ist. Der Windpark Chroobach verfügt über das grösste technische und wirtschaftlich rasch realisierbare Potenzial an erneuerbarem Strom in unserem Kanton. Die prognostizierte Stromproduktion von jährlich 27 bis 30 Millionen kWh würde über das ganze Jahr betrachtet im Mittel ausreichen, um rund 8'000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Windenergieanlagen in unserer Gegend in den Wintermonaten bis zu viermal so viel Strom wie in den Sommermonaten produzieren können. Also dann, wenn der Stromverbrauch hoch ist und Wasserkraftwerke und Photovoltaikanlagen weniger liefern. Somit ist der Windstrom eine ideale Ergänzung zum Sonnenstrom.

Freundliche Grüsse

Vorstand Pro Wind Schaffhausen


Medienberichterstattung

Bericht «Rotmilane in Gefahr? Pro Wind widerspricht» in den Schaffhauser Nachrichten vom 14.12.2024.

Sehr lesenswert ist zudem der Beitrag «Rotmilane gegen Windmühlen» in der AZ vom 09.01.2025.